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Konditionierung

Begonnen von Oval 5, 06.05.2012, 14h22

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Oval 5

Klassische Konditionierung
Was ist darunter zu verstehen? Wieso ist das wichtig?

Unter klassischer Konditionierung versteht man einen Lernvorgang, bei dem eine zuvor unbedeutende Wahrnehmung durch zeitliche Anbindung an eine bestimmten Reiz mit festgelegter FolgeHandlung zu einer bedeutsamen Wahrnehmung wird, die die gleiche Handlung auslöst, die zuvor nur der bestimmte Reiz ausgelöst hatte.

Wir kennen fast alle zumindest den Begriff "Pawlowscher Hund", der mit der Entdeckung dieses Phänomens fest verbunden ist.

Was genau und wissenschaftlich beschrieben man unter klassischer Konditionierung zu verstehen hat, kann man gut lesbar und kompakt zusammengefaßt und besser als ich das schreiben könnte hier nachlesen.
Oder in der KlassKondKurzversion PDF (1,3 MB) der Uni Gießen

Die klassische Konditionierung ist also die Ursache erlernter Verhaltensweisen, auf die der Lernende keinen Einfluß nehmen konnte.
Ich habe versucht ein paar Beispiele für dieses Lernen zu finden, die jeder kennen wird und die an uns selber deutlich macht, was sich dabei im Lernenden selber abspielt.

Als gutes Beispiel erscheint mir der Schul-Gong. 
Eine zunächst wertfreie Tonfolge signalisiert das Ende der Schulstunde wenn gerade Unterricht ist.
Andererseits signalisiert sie auch das Ende der Pause, wenn gerade Pause ist.
Die Aussage des Reizes Schul-Gong ist folglich nicht nur konditioniert sondern auch noch situationsabhängig konditioniert.

Wir haben also gelernt, diese Tonfolge mit bestimmten Handlungen zu verknüpfen und - was ich sehr wichtig finde - auch mit bestimmten Gefühlen.
Obwohl wir alle am Stundenende zum Beispiel das Zimmer verlassen, reagieren wir individuell recht unterschiedlich.
Unterschiedlich schnell und auch mit unterschiedlichen Gefühlen dabei.
Zusätzlich können wir, je nach unserer inneren Verfassung diesen Reiz einmal als positiv, ein anderes Mal negativ empfinden.

In diesem breiten Erlebensspektrum findet sich in der Hundeerziehung die große Herausforderung.

Ob wir Worte, Sätze, den Klick vom Clicker, ein Glöckchen wie Pawlow, Hand oder Körperbewegungen einsetzen, um bestimmte Verhaltensweisen unserer Hunde zuverläßig abrufbar zu erreichen - es bleibt klassische Konditionierung.
Wobei es gerade in der körpersprachlichen Kommunikation Überschneidungen mit instinktiven Reaktionen und innerartlicher Kommunikation gibt, man also auch versuchen kann, Bewegungen zu nutzen, die an sich bereits ohne Konditionierung das gewünschte Verhalten provozieren.

Die zeitliche Abfolge vom zu lernenden Auslöser zum unbedingten Auslöser ist entscheidend dafür, ob eine Verknüpfung entsteht und wie zuverlässig diese später ist. Phasen und Zeitmuster der klassischen Konditionierung sind hier gut verständlich dargestellt.

Auch Schmerzkonditionierung läuft nach dem Schema der klassischen Konditionierung ab.
Einen Text zur humanmedizinischen Schmerzbehandlung von Rückenschmerzen stelle ich hier noch dazu, für die, die sich für die Lernabläufe auch interdisziplinär interessieren.



Operante Konditionierung

Neben der klassischen Konditionierung gibt es noch die sogenannte
Operante Konditionierung bei der eine Handlung dadurch erlernt wird, daß sie Erfolg bringt. Andersherum ist so auch zum Beispiel das Meide-verhalten erlernt, daß dazu führt, daß wir uns nicht immer wieder an der heißen Herdplatte verbrennen.
Der Lernende ist hier aktiv. Er kann Einfluß nehmen auf seinen Zustand und diesen Verändern. Je nachdem, ob von Erfolg oder Mißerfolg gekrönt, festigt sich das Verhalten oder es verliert sich als mißglückter Versuch wieder.

Für Skinners operante Konditionierung beim Menschen wäre ein Beispiel, wenn wir lernen, den Weg durch die Garage in`s Haus zu bevorzugen gegenüber dem Haupteingang, weil wir dabei nicht der Dame aus dem Erdgeschoß über den Weg laufen, die uns immer mit unangenehme Geschichten aufhällt oder wenn wir uns eine bestimmte Gewürzmischung zur Gewohnheit werden lassen, weil sie unter den verschiedenen die wir probiert haben uns den besten Geschmack verspricht.


Ein Vergleich
- Klassischer Konditionierung - Operante Konditionierung -
mit den dazugehörigen Illustrationen haben wieder Stangl-Taller unter den Arbeitsblättern zur Psychologie   
hier

Was ist nun so spannend an der Konditionierung - gut - man lernt halt...

Konditionierte Verhalten sind ziemlich stabil.
Was einmal wirklich gut konditioniert ist mit geringer Fehlerquote, läuft mit relativer Sicherheit immer und immer wieder gleich ab.
Je früher diese Konditionierungen erfolgen, speziell wenn sie in den sensiblen Phasen der jeweiligen Entwicklungsstufe der Hunde erreicht wurden, und je eindeutiger sie sich gefestigt haben, desto zuverlässiger sind die Reaktionen abrufbar.

Als ExRacer-Besitzer haben wir auf diese frühen Konditionierungen keinen Einfluß gehabt.
Möglicherweise können wir sie aber nutzen.


Für alle, die gerne spielen noch etwas weniger trocken:
Hier könnt Ihr Pawlows Hund zum Sabbern bringen

Joker

Das allerlustigste Ergebnis wird erzielt, wenn wir unsere Hunde konditionieren, ohne es zu merken. Beispiel: In eine Richtung zeigen, rufen, oh, da steht ein Reh, und sich dann maßlos aufregen, dass alle Hunde in genau die Richtung rennen und w e g sind  shocked.gif.

Letzte Woche habe ich die Familie im nördlichen Niedersachsen besucht. Viel Wald, viel Moor, viel Landschaft und jede Menge Rehe und Hasen. Natürlich sind mein Vater und ich mit insgesamt 4 Hunden ausgiebig unterwegs gewesen. Und ich wäre fast ausgeflippt. Mein Vater hatte doch nichts besseres zu tun als bei jedem Reh stehen zu bleiben, den Arm auszustrecken, in die Richtung zu pieken, sich zu mir umzudrehen und zu brüllen "da stehen Rehe". Bevor ich auch nur sagen konnte, halt die Klappe, ich habe sie gesehen, waren die Hunde schon losgestürzt. Die haben nämlich meinen Vater nicht mehr aus den Augen gelassen und nur auf seine Sichtmeldung gewartet. Das Gras und die Büsche haben nämlich die Sicht der Hunde verdeckt und sie waren auf eine Meldung angewiesen. Die ja auch immer prompt kam.

Streit gab es, als ich versucht habe deutlich zu machen, dass die Hunde ruhig bleiben, wenn sie nicht in die Richtung Wild "geschickt" werden. Mein Vater wollte mir doch nicht glauben, dass die Hunde ihn verstehen und deshalb ausbüchsen. Am letzten Tag habe ich gebeten, dass er einmal den ganzen Spaziergang nicht den Arm hebt, nicht das R-Wort sagt, sondern nur beiläufig fragt, ob ich Tiere gesehen habe, sich nicht zu mir umdreht, sondern einfach den Weg fortsetzt und mich die Hunde nach Bedarf ranpfeifen lässt. Und, alles gut, alle Hunde bleiben auf dem Weg, keiner haut ab. Mein Vater denkt immer noch darüber nach, ob die Hunde ihn wirklich verstanden haben.

Es überrascht mich immer wieder, wie sensitiv Hunde reagieren, wenn ihre ureigensten Interessen/ Instinkte berührt sind und wie schnell sie dann lernen, sich uns zu nutze zu machen.

Joker