www.jagdwindhund.com/jagdwind / Rassen / Taigan / Artikel > Kyrgyzstan , eine Reise in das Land des Taigans!
.

Kyrgyzstan , eine Reise in das Land des Taigans!

Von Jutta Rübesam

Vor einigen Tagen bin ich aus Kyrgyzstan oder Kirgistan, wie es bei uns heißt, zurückgekommen. Wenn ich vor meiner Reise jemandem von diesem fernen Ziel erzählte, dann runzelten die meisten Leute die Stirn und fragten:
„Kirgistan? Wo liegt denn das?? Und was wollen Sie da??“
„Kirgistan liegt in Mittelasien, nahe bei China, Uzbekistan und Kasachstan….ein Land der Seidenstraße. Und was ich da will??? Na, mein Hund kommt von dort und jetzt möchte ich die Rasse in ihrem Heimatland kennen lernen.
„Was??? Wegen eines Hundes wollen Sie dahin???? So weit weg???“ klang es dann ganz erstaunt.
Nur wer mich kannte, fragte nicht. Meine Freunde wussten schon lange, dass ich davon träumte, meine Hunderasse, den kirgisischen Taigan, in seinem Heimatland zu besuchen, ihn sozusagen aus erster Hand kennen zu lernen. Und außerdem war ich, neben dem Interesse am Taigan, auch neugierig auf das Land, die Kultur und die Menschen.
Seit 4 Jahren lebt eine Taigan Hündin mit Namen „Taalai“ in meinem Haus und ich bin einfach begeistert von dieser noch sehr ursprünglichen Rasse.

01a

Wie vieles im Leben, war es ein Zufall, der letztendlich dazu führte, dass es nicht nur beim Träumen blieb.
Im September vor zwei Jahren, stellte ich Taalai, meine Taigan Hündin, in einem Windhund Korso in Bad Homburg, anlässlich eines Hunde-Rennens im Kurpark, vor und lernte dabei eine junge Frau aus Kirgistan kennen, die mich eines Tages einlud, sie in ihrem nächsten Urlaub in ihr Heimatland zu begleiten. Dieses nette Angebot war eine einmalige Gelegenheit und in diesem Frühjahr wurde aus meinem Traum Wirklichkeit!!! Am 30. April landete ich nachts um 3 Uhr auf dem Flughafen der Stadt Osh im Land der Taigane.
Hier eine Karte, aus dem Reiseführer „Kirgistan“ von Thomas Scholl, auf der ich meine Route eingezeichnet habe. Das handliche Buch aus dem Treschner Verlag, hat mir sehr geholfen, meine Reise vorzubereiten.

01b
Osh, eine Stadt an der Seidenstraße, hat nur einen sehr kleinen Flughafen. Nicht vergleichbar mit einem Flughafen hier. Das Gepäck wurde auf einem Pritschenwagen an eine Rampe herangefahren und die Passagiere packten selbst mit an, um es in den Raum zu heben, wo es auf einem Haufen gestapelt wurde. Jeder suchte nun seine Koffer heraus und bald stand der Ausgang voll mit Menschen und ihren Gepäckstücken. Ich unterhielt mich während des Wartens mit einem Flughafenangestellten in militärisch aussehender Tarnkleidung, der gut Englisch sprach. Ich zog mein Album mit Hundefotos hervor und erzählte ihm von meinem Vorhaben, den Taigan zu sehen. Schon war das Eis gebrochen! „Ah den Taigan suchen Sie!! Unsere Rasse! Deswegen kommen Sie extra hierher?? Ganz von Deutschland?? So weit?? Ja, den Taigan finden Sie meist im Norden, hier im Süden ist er selten. Sie müssen nach Bishkek, zur Hauptstadt fahren. Dort gibt es viele dieser Hunde.“ gab er mir bereitwillig Auskunft. Dann wurde mein Album unter den Flughafenangestellten weitergereicht und jeder nickte mir zu und lächelte mich freundlich an.
Draußen erwarteten mich meine Freundin Shahnoza und ihr Vater. Das Gepäck wurde im Auto verstaut, und wir fuhren durch das noch dunkle Osh, hinein in eine für mich ganz fremde und aufregende Welt.
Als es dämmerte, und über dem Pamir-Gebirge in meinem Rücken die Sonne aufging, erkannte ich bald Felder, blühende Obstbäume, kleine Häuser am Wegrand, Esel- oder Pferdekarren, Reiter und viele Schafe, Esel, Rinder und Pferde die neben der Straße grasten. Nicht immer stand ein Hirte dabei. Kein Zaun schützte die Tiere davor, auf die Fahrbahn zu laufen. Die Autos fuhren Slalom um Schlaglöcher, und die Fahrer achteten dabei noch auf die Weidetiere und frei laufende Hunde, bremsten oder wichen aus, wobei sie oft ganz flott unterwegs waren. Für mich war das am Anfang leicht beängstigend! Einige Zeit später hatte ich mich daran gewöhnt und entspannte mich.

02
Manchmal trieb auch ein Hirte seine Schafe oder Pferde über die Straße, zur Weide auf der anderen Seite und die Autos warteten geduldig bis der Stau vorbei war.

03
Selbst auf der autobahnähnlichen Straße zum Yssyk Kyl, auf der wir ein paar Tage später fuhren, war es ganz normal, dass Tiere über die Straße wechselten. Bei uns wäre der Verkehrsfunk heiß gelaufen, und die Polizei hätte alle Hände voll zu tun gehabt, um all die Tiere sicher zu verwahren!
Ich war eindeutig in einer anderen Welt gelandet! Aber mir gefiel es hier!
Ich blieb drei Tage im Süden Kyrgyzstans bei der Familie meiner Freundin in der Stadt Mailuusuu, lernte einige Nachbarn anlässlich eines Frühlingsfestes kennen, wurde als die Exotin aus Deutschland mit Handys abgelichtet und besuchte die Stadt Jalalabad. Durch Zufall fanden wir schon in Mailuusuu unseren ersten Taigan und 2 Taigan Mischlinge. Leider war der Besitzer irgendwo in den Bergen unterwegs und seine Frau konnte uns keine Auskunft über die Hunde geben.

04
unser erster Taigan, in Mailuusuu

Am vierten Tag fuhren wir mit einem Taxi durch das Tien-Shan Gebirge von Mailuusuu nach Bishkek. Ungefähr 10 Stunden waren wir durch eine grandiose Bergwelt unterwegs. Von der Ebene am Rande Usbekistans, wo Wassermelonen und andere Feldfrüchte angebaut wurden, schlängelte sich die Straße entlang des Flusses Naryn und durchquerte breite Hochtäler bis in die schneebedeckten Berge des Tien Shan und führte von dort wieder herunter in die Ebene, in der Kirgistans Hauptstadt Bishkek liegt.

05
Pferde am Straßenrand im Tien Shan-Gebirge

Dort erwartete uns Talant Asemov, unser Reisebegleiter, bei dem wir wohnen würden und der uns auch zu unseren Zielen, wie z.B. dem Yssyk Kyl und zu den Taiganen bringen würde. Ich kann an dieser Stelle nur sagen, dass Talant Asemov ein großes Glück für uns war. Er, selbst Besitzer eines Taigans, kannte viele Taigan- und Adler-Leute und er brachte uns zu den interessantesten und schönsten Punkten seines Landes. Er spricht perfekt Deutsch und ist auf Individualreisen spezialisiert. Wir haben uns bei ihm und seiner Familie sehr wohl gefühlt! Ich kann ihn nur weiterempfehlen!
Für Kyrgzstan-Interessierte hier seine Homepage:
http://www.kirgistan-reisen.com/kirgistan-reiseleiter.html
Da ich alte Mauern liebe, musste ich natürlich nach Tokmok fahren und den Burana Turm, ein Minarett aus der Zeit der Seidenstraße, anschauen. Noch auf dem Weg dorthin sahen wir einen jungen Taigan am Wegesrand.

06
Taigan an der Straße zum Burana Turm

07
Der Burana Turm

In der Nähe dieses Turmes befinden sich mehrere menschenähnlich behauene Steine, die Balbals genannt werden und aus verschiedenen Regionen des Landes zusammengetragen wurden. Sie stehen manchmal auf Kurganen, den Hügelgräbern Zentralasiens, aber auch an deren Fuß. Über die Bedeutung dieser Figuren aus vorislamischer Zeit wird spekuliert. Sie mögen vielleicht Gedenksteine für die Toten in den Gräbern sein, oder aber sie könnten das Abbild eines getöteten Feindes zeigen, der dem Gewinner nach dessen Tod zu dienen hat.

08
Balbals beim Burana Turm

Das Highlight des Tages war dann aber doch noch der Besuch bei zwei Taigan Besitzern.
Auf einem Hof sahen wir eine ältere Hündin, die an einer Kette angebunden war, weil sie Schafe jagte. Aus diesem Grunde hatte der Vorbesitzer sie, die eine sehr gute Jägerin gewesen war, trotzdem töten wollen, denn er hatte Probleme mit seinen Nachbarn bekommen, die ihre Schafherden gefährdet sahen. Der jetzige Eigentümer, der sie übernommen hatte, rettete der Hündin also das Leben, konnte sie aber natürlich auch nicht frei laufen lassen, weil es überall in Kirgistan Schafherden gibt.

09
Die Hündin war uns gegenüber reserviert, aber sehr verschmust und freundlich mit der Enkelin des Besitzers. Überhaupt wurde uns immer wieder erzählt, dass der Taigan ein Hund ist, der die Menschen nicht beißt und gut zu Kindern ist.

10
Über holprige Feldwege ging es zu einem zweiten Hof, auf dem uns zwei Taigane, ein erwachsener, grauer Rüde und eine sandfarbene, junge Hündin, entgegensprangen.

11
Die Beiden haben sich sehr über unsere Hundeleckerlies aus Deutschland gefreut. Auf dem Bild warten sie brav auf das nächste Leckerli aus der Tüte. Leider war der Besitzer nicht zu Hause, so konnten wir nichts Näheres über diese beiden schönen Hunde erfahren.
Der nächste Tag führte uns zu Mirlan Erkisai, einem jungen Kirgisen, der 2 Taigan Rüden „Topos“ und „Kumaik“ hält, mit denen er im Winter zur Jagd geht und im Sommer ab und zu Ausstellungen besucht. Er führte mir seine Hunde perfekt vor! Man merkte, dass er es gewohnt ist, sie auf Ausstellungen zu präsentieren. Mirlan erklärte mir, wie aus seiner Sicht ein Taigan aussehen soll und wie man ihn von verwandten Rassen wie Tazi und Afghane abgrenzt: Ohren gut mit Haar bedeckt und tief, in Höhe der Augen, angesetzt. Sind sie zu hoch angesetzt, weist das auf Blut des kasachischen Tazi hin. Die längeren Haare auf dem Schädel, der ein gut ausgeprägtes Hinterhauptsbein besitzt, sollen nach hinten liegen, und nicht wie beim Afghanen nach vorne fallen. Der Schädel soll wohl breit sein, aber wenig Stop aufweisen und zur Schnauze hin schmal auslaufen. Allerdings müssen die Kiefer immer kräftig genug sein, auch ein großes Wildtier, wie den Steinbock oder einen Wolf, zu packen. Die „Spiegel“ an den Beinen müssen gut ausgeprägt sein, es darf kein langes Haar darüber fallen. Auch der kurzhaarige Sattel muss deutlich sichtbar sein. Der Rücken soll eher kurz, die Brust tief und die Front breit sein. Die Muskulatur muss kräftig ausgebildet sein. Zu helle Augen sind nicht erwünscht. Die Rute soll nicht stark befedert sein und an ihrem Ende einen geschlossenen Ring aufweisen.
Allgemein wird in Kirgistan allerdings auch davon ausgegangen, dass der Taigan die älteste asiatische Windhund-Rasse darstellt und der Afghanische Windhund, wie auch der Tazi und Saluki von ihm abstammen, also sehr nahe Verwandte sind.

12
„Topos“, ein vielfach prämierter Rüde. Gut zu erkennen, die kräftige und breite Front. Er ist von den Brüdern der bessere Wolfsjäger.

13
„Kumaik“, besonders geeignet zur Hirsch und Steinbockjagd

14
Welpen

Zum Schluss wurden mir noch zwei Welpen gezeigt, deren Vater Topos ist. Der kleine cremefarbene Rüde sei furchtlos und vielversprechend und werde sicher ein guter Jäger, meinte sein stolzer Züchter.
Am nächsten Morgen brachen wir schon früh zum Yssyk Kul, dem Heiligen See der Kirgisen auf. Er liegt ungefähr 1600 Meter hoch im Herzen des Tien-Shan Gebirges. Yssyk Kul bedeutet heißer See, denn durch seinen starken Salzgehalt friert er im Winter nicht zu.
Wir fuhren zuerst am Nordufer des Sees entlang. Leider war das Wetter nicht so gut und die Berge hüllten sich in Wolken. Unterwegs passierten wir alte Mausoleen aus Lehm, die mir wie zu den Märchen aus „Tausend und einer Nacht“ gehörig erschienen.

15

Kurz vor Cholpon Ata, bogen wir auf eine holprige Straße in Richtung Berge ein. Die Landschaft war von großen, runden Steinen übersäht, als habe jemand eine Kiste mit Kieseln darüber ausgeschüttet. Schaute man näher hin, konnte man jedoch an einigen Stellen ein System im Durcheinander der Steine erkennen. Auf kleinen Anhöhen waren Steine zusammengetragen worden und kennzeichneten alte Grabstellen.

16
Grabstelle

An zwei Stellen waren eindeutig Kreisanlagen aus den runden Steinen zu erkennen. Wofür mögen sie gedient haben? Inmitten der Gräber vermute ich eher Kultplätze denn Wohnstätten.

17
Steinkreis
Ein paar Meter weiter dann erste Steinzeichnungen, Petroglyphen! Jäger mit Pfeil und Bogen, Reiter, Kamele, Hirsche, Steinböcke und wirklich auch Hunde!

18
Hier eindeutig ein Hund mit langen Beinen, Hängeohren und einem über dem Rücken getragenen Schwanz….mit Phantasie könnte man sogar einen Ring am Ende der Rute erkennen….also ein Taigan? Wie alt ungefähr mögen solche Zeichnungen sein? Vermutungen liegen bei 2000 vor Chr.

Wir übernachteten im Hotel „Aurora“ in dem vor langer Zeit schon Gorbatschow und die russischen Kosmonauten abgestiegen waren. Es wurde seither kaum verändert und hat den Hauch seiner Vergangenheit bewahrt.
Nach einem üppigen Frühstück führte unser Weg vorbei an skythischen Kurganen nach Karakol am östlichen Ende des Sees.


19
skytischer Kurgan
Der folgende Tag brachte ein Highlight nach dem anderen! Kurz nach unserer Abfahrt aus Karakol bogen wir in die Schlucht von Jeti-Oguz mit ihren roten Sandsteinformationen ein, die an Kathedralen erinnern.

20
bei Jeti-Oguz
Und dann brachte Talant uns in ein Hochtal, das in Richtung zur chinesischen Grenze auf 4000 Meter Höhe lag. Uns stockte der Atem! Nicht nur weil die Bergwelt hier atemberaubend war, sondern auch weil die Luft hier oben wirklich dünn ist. Aber dieser Abstecher in die Höhen mit Gletschern fast zum Greifen nah, war es wirklich wert ein wenig schneller zu schnaufen! Lange haben wir es aber denn doch nicht ausgehalten in der dünnen Luft.

21
in einem Hochtal des Tiens Shan. Wenig weiter hinter diesen Bergen beginnt China, liegt das Tarim Becken mit der Taklamakan Wüste. Kaum vorstellbar!.

Uns „Flachlandtirolern“ aus dem Raum Frankfurt (ca.100-200m über Normal Null) fiel in dieser Höhe das Atmen wirklich schwer!! Wir baten darum, für die Mittagspause wieder nach unten zu fahren. Wobei mit „unten“ der Yssyk Kyl gemeint war, der immerhin noch auf ca. 1600 m liegt.
Unser fürsorglicher Reisebegleiter drehte sofort um, und machte sich auf den Rückweg.
Unterwegs begegnete uns ein Hirte mit seinen Schafen beim Aufstieg in das eben von uns verlassene Hochgebirgstal. Jetzt wussten wir, wie schwer es für Mensch und Tier ist, in diesen Höhen des Tien Shan zu leben und zu arbeiten und welche Leistung für den Taigan, hier Jagdwild zur Strecke zu bringen!
Am Ufer des Yssyk Kul aßen wir dann Brot und geräucherten Fisch des Sees, saßen in der Sonne und schauten auf das glasklare, blaue Wasser….und atmeten tief durch!

22
Schon im Abendlicht besuchten wir noch den „Fairy tale Canyon“. Nach einem unscheinbar aussehenden Abzweig von der Hauptstraße befanden wir uns plötzlich wirklich in einem Märchenland aus buntem Sandstein, in dem sich mit Fantasie die Formen der Felsen in eine chinesische Mauer, einen Schneeleoparden, Elefanten und vieles mehr verwandelten. Stundenlang hatte man hier wandern können, aber die Zeit dränge und wir mussten weiter.

23
Im Fairy tale Canyon
Müde und hungrig trafen wir dann bei Julduz in Bokonbayevo ein. Uns erwarteten gemütliche, mit kirgisischen Teppichen, Wandbehängen und anderen antiken Kunstgegenständen eingerichtete Zimmer und ein reichhaltiges Abendessen. Kein Wunder, ist Julduz doch eine Kunsthandwerkerin besonderer Art, wie wir am nächsten Tag sehen sollten.
Wieder ein neuer Morgen und wieder sollte dieser Tag ein ganz Besonderer werden. Gleich nach dem Frühstück besichtigten wir die kleine Kunsthandwerk-Fertigung von Julduz. Hier wird unter anderem Filz für Jurten und Teppiche, Kissen und Pantoffel hergestellt, gefärbt und verarbeitet.

24
Filzherstellung, Im Hintergrund eine kleine Auswahl aus dem Sortiment

Mittags, wir saßen gerade am reich gedeckten Tisch, betrat ein Mann in typisch kirgisischer Kleidung und langem Pelzmantel den Raum und stellte sich als Almaz Akunov vor. Eine Erscheinung wie aus vergangener Zeit!
Almaz Akunov hat sich der Rasse Taigan verschrieben. Er kämpft für ihren Erhalt in seinem Heimatland und trainiert junge Männer in den alten traditionellen Jagdtechniken mit Adler, Taigan und mit Pfeil und Bogen und hat das Salburun Festival, wo diese Fertigkeiten gezeigt werden, ins Leben gerufen.
Er fuhr mit uns in ein abgelegenes Tal in den Bergen, um uns seine eigenen Taigane zu zeigen. Auf dem Weg dorthin trafen wir eine Herde Yaks, die zuerst friedlich graste, dann vom Hirten zusammengetrieben und in Richtung Pferch dirigiert wurde. Wir hatten auf dem Hof des Yak Hirten, eines Schülers von Almaz, angehalten und waren ausgestiegen. Eine schwarze und eine rote Taigan Hündin schauten neugierig, erst von weitem, aber bald ließen sie sich auch streicheln. Derweil war die Yak Herde näher gekommen. Die Tiere wollten wohl noch nicht in ihren Pferch und versuchten in eine andere Richtung auszubrechen. Staub wirbelte auf…die Herde schien zu brodeln. Mit Würfen von Erdklumpen und leeren Plastikflaschen wurden die widerspenstigen Tiere aber letztendlich doch in ihren Pferch getrieben.

25

26
Wir wurden zu Tee und Brot eingeladen. Die Menschen in diesem Lande sind sehr gastfreundlich, auch wenn sie selbst nicht viel haben.
Über die rote Hündin wurde eine Jagdgeschichte zum Besten gegeben. Sie, die Rote, jagte vor einiger Zeit zusammen mit einem Adler einen Hirsch. Der Adler gab nach einer Weile auf, und die Jäger glaubten, nun sei die Beute verloren und könne entkommen. Aber die recht kleine Hündin jagte weiter, und als die Jäger sie mit dem Fernglas entdeckten, lag sie neben dem toten Hirsch. Sie hatte es geschafft, ihm das Genick zu brechen. Und obwohl die Hündin äußerlich nicht ganz dem gewünschten Bild des Taigans entspricht, etwas zu zart ist und keine so kräftigen Kiefer hat, wurde sie doch wegen ihrer guten Jagdeigenschaften zur Zucht verwendet und wird hoffentlich bald die Mutter von genauso guten Taigan Welpen. Unser Reisebegleiter war so beeindruckt von dieser Hündin, dass er sich gleich eines ihrer zukünftigen Kinder bestellt hat.
Auch mich haben diese Hündin und ihre Geschichte besonders fasziniert. Am liebsten hätte ich sie mit nach Hause genommen! Aber abgesehen davon, dass ich genug Hunde habe, gehört sie hierher in ihr Tal in den Bergen des Tien Shan.

27
Die schwarze Hündin war noch kein Jahr alt, sodass über Jagderfolge nichts berichtet werden konnte.

28
Dann ging es weiter in das Tal hinein, manchmal querbeet, denn ein Weg war nicht überall zu erkennen.

29
Am Winterstall angekommen, begrüßten uns einige freilaufende Taigane, und diejenigen, die an einer Kette angehängt waren, wurden nun losgelassen. Alle waren freundlich zu uns und auch zu den umherlaufenden Kindern.

30
Taiganrüde mit Kind
Es war eine Gruppe von 6 schwarzen und schwarz-weißen Hunden, Erwachsene und Junghunde und zusätzlich einem Welpen. Auf meine Frage warum der Taigan wohl am häufigsten in der Farbe schwarz anzutreffen sei, erklärte Almaz, dass das schwarze Fell die Wärme der Sonne besonders gut einfangen könne und so die dunklen Hunde besser durch die Kälte kommen würden, die im Winter in den Bergregionen herrscht.

31
Taigan Hündin
Er wies auch auf das lange Haar hin, das der Taigan braucht, um die kalte Jahreszeit zu überstehen. Es bedeckt vor allem die Körperteile, die sonst leicht Schaden nehmen würden, wie zum Beispiel die dünnen Ohrenlappen. Er verglich die Verteilung des langen Haares auf Stirn, Ohren, Beinen und Rumpf mit der der Yaks und sagte, dass es eine gleichartige Anpassung an die kalte Region bei verschieden Tierarten sei. Die erwachsenen Hunde hatten viele Filzzotteln, denn hier wird kein Hund gebürstet! Almaz sagte dazu, dass die Hunde so ihre Decke selbst mit sich tragen würden und ohne Probleme auf kalter Erde oder im Schnee liegen können. Und Filz wärmt, wie der Filz der Jurte. Hunde gehören hier nach draußen, auch wenn es kalt ist. Ein Foto von meinen Hunden auf dem Sofa brachte übrigens viel Gelächter hervor. „Meine Hunde haben auch ein Sofa“, sagte Almaz. Und dieses Sofa besteht aus getrocknetem und brikettartig zugeschnittenem Schafsdung. Auf daraus aufgeschichteten Haufen liegen die Hunde gerne, weil der Mist schön wärmt.
Erstaunt war ich, als ich bei drei seiner Hunde eine Afterkralle entdeckte.

32
Die Afterklaue
Ich dachte an Einkreuzung von großen Herdenschutzhunden zur Wolfsjagd aber Almaz erklärte mir, dass diese Afterkralle, ein Hinweis auf das hohe Alter dieser Rasse, also ein Relikt aus alter Zeit sei und sehr geschätzt werde.
Übrigens sagte er mir, dass sehr viel Wert darauf gelegt würde, nur Hunde miteinander zu verpaaren, die möglichst nicht miteinander verwandt sind.
Hier einige Eindrücke von diesem ganz besonderen Tag:

33
Almaz Akunov mit zwei seiner Taigane

34
Taigane am Pferd

35

36

37
Es dunkelte schon, als wir nach Tee und Brot am warmen Ofen, der mit Schafdung befeuert wurde, wieder Richtung Bokonbayevo fuhren. Ein Weg war nun, in der Dunkelheit, gar nicht mehr zu erkennen, aber wir fanden doch zurück auf die Straße und zu unserer Herberge, wo wir noch lange über diese wunderbare Hunderasse sprachen.
Am folgenden Tag um 9 Uhr sollte eine chinesische Delegation kommen und zu deren Ehren sollten einige Reiterspiele und Jagdvorführungen stattfinden. Doch dann wurde die Vorführung zuerst auf den Mittag und dann auf den Nachmittag gegen 16 Uhr verschoben. So verbrachten wir den Vormittag mit Besuchen bei Taigan- und Adler-Haltern.

38

39
Mutter mit ca. 4 Wochen altem Welpen. Seine Geschwister waren schon alle zu ihren neuen Besitzern gezogen. Ich fragte, warum die Welpen schon so früh abgegeben werden. Sultan, der Besitzer der Hündin erklärte, dass der Welpe sich so besser an seinen neuen Besitzer anschließen und sich das positiv bei der Jagd auswirken würde. Man gebe die Welpen ab, sobald sie in der Lage seien feste Nahrung zu fressen.
Ganz überraschend drückte mir Talant, mein Reisebegleiter, den Welpen auf den Arm und bat mich darum, ihm einen Namen zu geben, da dieser noch fehlen würde. Ich überlegte kurz und taufte ihn dann auf den Namen Nourzai. Alle lachten zustimmend und so war der Name angenommen! Ich wünsche Nourzai ein langes, gesundes Leben und dass er ein guter Jäger wird!

40
Nourzai
Dann ging plötzlich das Hoftor auf und zwei junge Männer mit Adlern auf der Hand kamen herein. Sie führten ihre Adler vor, sodass sie die Schwingen ausbreiteten und in ihrer ganzen Schönheit und Größe zu sehen waren. Sehr beeindruckende Vögel!!

41

42

Für die freundlichen Menschen hatte ich kleine Geschenke mitgenommen, Hundeleckerlies, selbst kreierte Taigan-Autoaufkleber und Postkarten mit Taigan Zeichnungen. Zudem hatte ich die UW Sonderausgabe „ Unbekannte Windhundrassen“ vom November 2013 dabei und zeigte den Taigan Haltern die Artikel und Fotos darin. Auch wenn sie die Zeilen nicht selbst lesen konnten, so haben sie sich doch alle gefreut, dass im fernen Deutschland Menschen sind, die sich für ihren „Nationalhund“, den Taigan, so sehr interessieren, dass sie Artikel darüber in einer Zeitschrift veröffentlichen.

43
Mein Reisebegleiter Talant Asemov übersetzt Taigan Besitzern einige Zeilen aus dem Sonderheft November 2013 des UW.

Bei einem Jäger im Nachbarort fanden wir eine cremefarbene Hündin, die an der Kette lag, weil sie sich sonst zu leicht stehlen ließ. Sie war schon ein paar Mal abhandengekommen, konnte aber immer wieder zurückgeholt werden. Hunde zu stehlen ist ein beliebter Sport in Kirgistan. Besonders, wenn man einen guten Hund hat, muss man sehr gut darauf aufpassen!


44
Der schwarze Rüde des gleichen Besitzers durfte sich frei bewegen, da er sich nicht so leicht anfassen und verschleppen ließ.

45
Auch hier wurden wir wieder zu Tee und Brot ins Haus gebeten und bekamen Jagdgeschichten über Hunde und Adler zu hören.
Beide Hunde wurden von ihrem Besitzer als gute Jäger gelobt und vom Adler des Hauses wurden uns stolz einige Medaillen und Urkunden gezeigt, die dieser bei Jagdprüfungen und Wettkämpfen erhalten hatte.
Ich zog das Album mit Bildern meiner eigenen Taigan Hündin hervor, der Jäger blätterte durch die Seiten und erklärte mir dann, dass sie ein Allround-Typ sei, der sowohl im Gebirge, wie auch in der Ebene jagen könnte. „Wird sie mal Welpen bekommen?“ fragte er dann? „Nein sagte ich, ich werde nicht mit ihr züchten.“ Ob sie ihm wohl so gut gefallen hatte, dass er gerne einen ihrer Welpen genommen hätte?
Die Frau des Hauses, Mutter von drei Kindern, die uns den Tee servierte, erklärte explizit, dass der Taigan ein guter Hund sei, der keine Menschen beißt und mit den Kindern gut auskomme. Ich war ehrlich gesagt erstaunt darüber, dass ich dies hier immer und immer wieder erzählt bekam, denn bei uns in Deutschland hatte man mich davor gewarnt, mir einen Hund dieser Rasse zuzulegen, da die wenigen bisher im Westen bekannt gewordenen Taigane den Ruf gehabt hatten, schwierig zu sein. Ich weiß auch, dass das nicht aus der Luft gegriffen ist und nicht jeder Taigan einfach nur nett ist, aber meine eigene Hündin entspricht wirklich dem Bild, das in Kirgistan vorherrscht. Sie meldet zwar und bewacht, aber wenn ich die Gäste hereinbitte, ist sie immer freundlich, „hilft“ zum Beispiel den Handwerkern bei ihrer Arbeit, legt ihren großen, schweren Kopf auf den Schoß von Freunden und Bekannten, ist mit Kindern immer geduldig und lässt sich viel von ihnen gefallen. Auch mit anderen Hunden kann ich sie bedenkenlos spielen lassen. Allerdings glaube ich, dass es sicher, wie bei jeder Rasse, auch beim Taigan unterschiedliche Charaktere gibt, sozusagen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade in der Erziehung und es ebenfalls immer auf die Sozialisation und den Umgang mit dem Hund ankommt.
In Kirgistan herrscht auf jeden Fall die Meinung vor, dass der Taigan zum Bewachen nicht taugt, dass man dafür besser einen Schutzhund wie z.B. einen Döbet oder Alabai nimmt.
Übrigens sagt man in Kirgistan auch, dass der Taigan aggressiv wird, wenn er nicht genügend jagen kann, dass er die Jagd, Freiheit und viel Bewegung braucht, um ausgeglichen zu sein.

Gegen 16 Uhr fanden wir uns an dem Platz ein, wo die Reit- und Jagdvorführungen, zu Ehren der chinesischen Delegation, stattfinden sollten. Jedoch war noch keine Delegation in Sicht. Einige Reiter, 2 Taigane und ein paar Adler waren aber schon da. Die jungen Reiter vertrieben sich die Wartezeit mit Bogenschießen. Bald fand sich auch wieder Almaz Akunov ein, der das Treffen organisiert hatte, und gegen 18 Uhr erschienen in einer Staubwolke mehrere Autos, aus denen chinesische Kirgisen stiegen. Da es in China bei den dort lebenden Kirgisen leider kaum noch Taigane gibt, hatte man sich getroffen, um die Jagd mit dem Taigan und Adler vorzustellen und später auch Welpen nach China zu bringen.
Nun konnten die Vorführungen beginnen. Am beeindrucktesten fand ich das Bogenschießen vom Pferd aus. Freihändig lenkten die Reiter das Pferd und platzierten den Schuss auf einer Zielscheibe. Das war große Kunst!


46
Auch ein Adler durfte fliegen und Beute machen

47
Berkutschi mit seinem Adler und Taigan
Und eine Gruppe Reiter zeigte ein Pferderennen mit Passgängern. Der Passgang bei Pferden ist in Kirgistan sehr beliebt, da es ein bequemes Reiten ist.

48
Passgänger

49
Chinesische Delegation mit Bogenschützen
Leider mussten wir nach diesen Highlights zurück nach Bishkek, aber auch dort sahen wir in den nächsten Tagen noch einige Taigane :

50
Taigan-Rüde in Bishkek

51
Tragende Hündin, Bishkek

52
Junghund, Bishkek

53
Ältere Hündin, Bishkek

Auf einem Hof sahen wir auch einen für Kirgistan typischen Wachhund, einen Döbet.

54
Döbet

55
Taigan-Rüde, der ein guter Wolfsjäger sein soll

56
Ein Jägerblick!

57
Junghund

58
neugierige Blicke

59

60

61

62
14 Jahre alte Hündin

Dann waren meine Tage in Kirgistan vorbei!
Am Morgen meiner Abreise schneite es, gemischt mit Regen. Ich glaube, das Wetter wollte mir den Abschied leichter machen. Talant brachte mich zum Flughafen Manas, der außerhalb von Bishkek liegt und es war an der Zeit, Kirgistan Lebwohl zu sagen. Vom Flugzeug aus gelang mir ein letzter Blick auf die schneebedeckten Gipfel des Tien Shan, die durch die Wolken hindurch lugten und in der Sonne glänzten. Dann verschwanden sie aus meinem Blickfeld und ich spürte, dass ein Stück meines Herzen dort geblieben war…..im Land der Taigane.

63
Ganz zum Schluß nun möchte ich nochmal all denjenigen danken, die diese Reise für mich möglich gemacht haben und die meinen Traum Wirklichkeit werden ließen: „Dschong Rachmat“ an meine Freundin Shahnoza , die mich in ihr Heimatland eingeladen hat, und an Talant Asemov, der uns gefahren und begleitet hat, und an all die vielen, netten Menschen, die uns begegnet sind, uns ihre Taigane und Adler zeigten, ihre Geschichten erzählten und uns zu Tee und Brot einluden. Vielen Dank!!!