Mein blinder Lieblingsriesenwuwu lebt nicht mehr* 14.6.2004 irgendwo in Irland
† 15.5.2014 in meinen Armen irgendwo in Deutschland
5 dokumentierte Rennen mit miserablen Ergebnissen - bei immerhin 58 km/h Durschnittsgeschwindigkeit. Es hat
geheißen, er wäre Coursing gegangen...
Bei der Suche nach Informationen über Greyhounds im Internet hatte ich irgendwann ein Bild von einem
Greyhound vor Augen, das mich einfach nicht mehr los gelassen hat. In Limerick - 1500 km .... ist ja der nächste
Weg....
Auf die Bewerbung folgte Schweigen. Eine dritte Mail, die ich aus meiner Sicht als unverschämt empfunden hätte,
hat dann endlich eine Antwort gebracht. Und die war gar nicht verärgert sondern super nett - man hatte ganz
einfach zu viel zu tun. Der Kontakt war schwierig, bis ich endlich eine ganz tolle Frau als "direkten Ansprech-
partner" in der Orga bekommen hatte. Wir haben einmal telefoniert - was für ein Unterfangen mit dem
ungewohnten Dialekt.. anschließend per Mail versucht, einen Transport zu organisieren.
Nichts ging. Fliegen war unglaublich teuer und kompliziert, weil der Hund so groß, die Flug-Box nach Vorschrift zu
groß für die Ladeluken in Limerick ... also nur ein Flug über den großen Flughafen in Dublin. Es ging so nicht.
Ich hatte mein Auto dann irgendwann durch den Service gefahren und war vorbereitet in einer 5tägigen
Marathonreise die 3000 km selber zu fahren, als sich dann in letzter Minute doch noch eine Mitfahrgelegenheit bei
einer Orga ergeben hat. Das war gut. Wirklich gut, denn das Auto hat etwas später dann gestreikt. Da wäre ich
vom km-Stand mitten auf der Reise gewesen...
Und dann kam ein großer, dunkelblauer, viel zu dünner Greyhound aus einer Box. Weit aufgerissene Augen,
struppiges hartes Fell, nackige Oberschenkel. Was für ein Bild des Jammers! Beim ersten Pieseln wollte er gar nicht
mehr aufhören. Gezogen hat er wie ein Ochse. Kein bisschen von der noblen Zurückhaltung meiner Prinzessin.
Dafür ein umwerfender Sonnenschein. Ein 33 kg-Baby - ahnungslos, liiieeb - und blind - aber das wußte ja keiner.
So ist er dann nachts bald mal gegen den Kaugummiautomaten gelaufen. Sowas merkt man sich!
Und unerwartet wecken sollte man ihn besser auch nicht.... Blindheit macht auch unsicher.
Ein Besuch bei Augenspezialisten brachte eine klare Diagnose: PRA - zu Deutsch: fortschreitende Netzhaut-
Zersetzung. Eine Erbkrankheit, die zwar nicht weh tut, aber unweigerlich zur völligen Erblindung führt. Nein, auch
der Bubi war kein gesunder Hund.
Nach dem zweiten Fellwechsel war er schön! Weich wie Seide, wo ich doch geglaubt hatte, das würde nix. Auch auf
den Oberschenkeln waren wieder Haare gewachsen. Er hatte gelernt, daß man nichts zu befürchten hat, wenn man
überraschend geweckt wird, daß man nicht so sehr an der Leine ziehen soll, und daß es für rauf und runter
unterschiedliche Worte als Ankündigung gibt. Ein Traum von einer Seele auf vier wirklich geraden Beinen. Dankbar
für jede Hilfe und Führung. Die Blindheit gab Freiheiten durch die Einschränkung - weil der blinde Sichtjäger nun
mal nicht so leicht jagen geht.
Ein kleiner Hausmeister an seiner Seite, das war gut. Dem ist er dann auch wie ein richtig großer Bruder immer
sofort zu Hilfe gekommen, wenn der was gesagt hat.
Wir haben viele Besonderheiten durch die Blindheit bewältigen müssen und das im Wesentlichen sehr gut hin
bekommen. Die Augen haben von einem hellen Rehbraun über smaragdgrün bis zuletzt einem milchigen Lindgrün
ihre Farbe gewechselt und glücklicherweise nie große Schwierigkeiten gemacht. Es hätte auch ganz anders
kommen können. Nur, daß es keinen Unterschied macht, ob ein Hund sieht oder nicht, das würde ich nie
unterschreiben. Man muß ständig darauf achten, daß nichts schief geht, in der Wohnung nichts im Weg steht etc.
Ich kann mich nicht erinnern, daß mein Blinder außer an den Augen jemals richtig krank gewesen wäre? Ja, einmal
ist er gegen einen Zaun gelaufen, da mußte genäht werden - das war ganz am Anfang und die Narbe ist so schön
verheilt, daß ich es längst vergessen hatte.
Die hellen Ballen waren ein bisschen empfindlich. Gegen
Corns habe ich deshalb ab und an etwas getan, aber
immer rechtzeitig, bevor tatsächlich Probleme daraus erwachsen wären. Wir sind zu den Impfungen gefahren und
der Piek war für ihn ein Grund fürchterlich wehleidig zu werden. Gegen Würmer gab es Wurmkur, gegen Flöhe spot-
on, gegen Zecken einen Menschen, der die alle wieder abgesammelt hat. Durchfall selten mal nach dem Knochen...
einen halben Tag lang. Das ist nicht krank... Keine OP, keine Infektionen ... ein immer gesunder Hund. So gesund,
daß ich vor Jahren im Scherz mal gesagt hatte - das ist so einer, der einem dann an Knochenkrebs unter den
Fingern weg stirbt ohne Anzeichen.
... und genau so ist das jetzt. .. weg gestorben .. einfach mal eben fort....
Ich hab keine Worte für die Leere, die da bleibt, wenn man zwei so sympathische Begleiter im Leben so völlig
unsinnig gleichzeitig ziehen lassen muß. Ja - Greyhounds sind Züchterhunde. Sie werden gezüchtet für bestimmte
Eigenschaften, aber die Charaktere sind so vielfältig. So viel Individualität, Persönlichkeit. Ich bin noch immer so
sprachlos bei all den Worten.
Das einzige was mich tröstet, ist zu wissen, daß er nicht einen Tag länger diese entsetzlichen Schmerzen hat
ertragen müssen, als bis klar war, daß wir sie nicht in den Griff bekommen können. Keine albernen Rettungs-
versuche, die meinen Blinden mit drei Beinen aus einer Narkose hätten aufwachen lassen in der Welt, die so
schon kompliziert genug war für ihn. Führung übernehmen kann entsetzlich schwer sein. Deshalb lieben uns
unsere Hunde so dafür, wenn wir ihnen das Joch ab nehmen. Keinen Tag möcht' ich missen, den ich mit dem
süßesten Hund seit es Schokolade gibt, verbracht habe. Keine Reue wegen irgendwelcher nicht gemachter Ausflüge
etc, die zu kompliziert gewesen wären in der Konstellation. Meine Seele hat mehr bekommen, als man sich
erhoffen kann.
Blinder, dank Dir für alles, was Du mich hast lernen lassen. Wenn es einen solchen geben konnte auf der Welt,
kann es auch mehr geben. Das ist ein guter Anfang. Und glücklicherweise trägt sich die Erinnerung an Dich
leichter über die Treppe, als Deine 34 kg - versprochen, Du darfst mich den Rest meiner Zeit begleiten.